Der Erfolg geht weiter
In den 80-er Jahren wird der Spanier Juan-Antonio Samaranch neuer Präsident des Olympischen Komitees. 30 Staaten, darunter auch die Bundesrepublik, boykottieren die Olympischen Spiele in Moskau. Als Angehörige der Bundeswehr feiern die "Sturmvögel" Ralf Hofeditz und Detlef Jahnke 1982 einen ganz besonderen Triumph. In Belgien gelingt es ihnen, mit Manfred Donike und Roland Günther in der Vierermannschaftsverfolgung auf der Bahn die Vertreter der übrigen Nationen hinter sich zu lassen. Verdient dürfen sie nach einem anstrengenden Verfolgerturnier die Meisterehren in Empfang nehmen und für mindestens ein Jahr den Titel eines Militärweltmeisters tragen.
Nach weiteren Erfolgen auf der Straße ist es dann noch im gleichen Jahr abermals soweit. Mit Ralf Hofeditz wechselt wieder ein Mitglied des RV Sturmvogel zu den Profis. In der französischen Mannschaft "Wolber" fängt er eine neue "Lehrzeit" an und muß sich im Feld der Berufssportler neu behaupten. Nach den ersten Anlaufschwierigkeiten, die ein Wechsel von den Amateuren zu den Profis mit sich bringt, verschafft sich Ralf Hofeditz als Sprinter schnell Gehör. Die ersten positiven Ergebnisse stellen sich ein, denn bei Wettbewerben in Frankreich kann der im RV Sturmvogel groß gewordene Athlet schon vordere Plätze belegen. 1983 schließt sich dann der erste große Erfolg an. Bei dem seit dem Jahr 1907 ausgetragenen Straßenklassiker von Paris nach Brüssel sorgt Ralf Hofeditz nach 50 Jahren mit dem dritten Platz für das beste Ergebnis eines deutschen Radsportlers. Seit 1933 also, als Gerhard Esser den gleichen Rang belegen konnte, haben vergeblich solche Asse wie Hennes Junkermann, Klaus Bugdahl, Horst Oldenburg, Dietrich Thurau oder Gregor Braun versucht, in Brüssel auf das Podium zu fahren.
Noch im gleichen Jahr macht Ralf Hofeditz mit einem 13. Rang auf sich aufmerksam. Auf den ersten Blick scheint das nicht unbedingt eine Top-Platzierung zu sein. Aber es ist das Rennen von Bordeaux nach Paris über eine Distanz von etwa 600 Kilometern, welches Ralf Hofeditz auf diesem Platz beendet. Der erste Teil dieses Wettbewerbs wird als normales Straßenrennen ausgeführt und im zweiten Teil des Rennens bieten Dernys Schrittmacherdienste. Es ist schon Anachronismus, was dort veranstaltet wird, denn Rennen über diese Distanz sind aus den Anfängen des Radrennsports bekannt, im 20. Jahrhundert aber absolut unüblich. Anders gesagt: ein Radrennen über 600 Kilometer ist eine nicht mehr zeitgemäße Tortour, bei der größtes Stehvermögen verlangt wird. Ralf Hofeditz beendet diesen Wettbewerb auf dem respektablen 13. Platz - im übrigen unter anderem mit dem Dortmunder Manfred Schmattke als Schrittmacher. 1985, mittlerweile im Trikot der Mannschaft "Skil", schafft der Profi Ralf Hofeditz in einer Rundfahrt weitere beachtliche Platzierungen. Es ist der Giro d´ Italia, nach der Tour de France die wohl bedeutendste Landesrundfahrt der Welt, in der der Sprinter durch einen vierten, zwei fünfte, einen achten und einen elften Rang gefällt. Obgleich die Fähigkeiten von Ralf Hofeditz eindeutig im Spurt und in den Eintagesrennen liegen, fährt er diesen Giro d´ Italia durch. Er übersteht alle schweren Bergeteppen und beendet diese Rundfahrt als 134. Übrigens: der Mann ist annähernd zwei Meter groß, hat eine kräftige Statur und Schuhgröße 49, womit wohl genug über dessen Leistung bei den Etappen durch die Dolomiten ausgesagt sein dürfte. Leider muß Ralf Hofeditz, in Frankreich mittlerweile auch durch seinen Sieg im "Stern von Besseges" sehr beliebt, seine Sportkariere 1989 aufgrund einer beim Dortmunder Sechstagerennen erlittenen Sturzverletzung beenden.
Das zweite Aushängeschild des RV Sturmvogel 1925 Dortmund e.V. , Torsten Rellensmann, findet 1987 den Weg zu den Berufssportlern. Nach unzähligen Siegen auf Bahn und Straße wechselt er in das Metier der Steher und tritt so die Nachfolge des "Sturmvogel-Urgesteins" Dieter Kemper als Lokalmatador in der Dortmunder Westfalenhalle an. Gleich nach seinem Übertritt macht Torsten Tellensmann mit achtbaren Platzierungen sowohl in Sechstagerennen als auch mit einem dritten Rang im Weltpokal der Steher von sich reden. Neben deutschen Meistertiteln bei den Dernys erreicht der ehemalige Amateur des RV Sturmvogel 1989 im Trikot der deutschen Nationalmannschaft einen hervorragenden dritten Platz bei den Weltmeisterschaften der Steher und darf sich verdientermaßen die Bronzemedaille umhängen lassen. Den größten Erfolg seiner Laufbahn schafft Torsten Rellensmann wohl 1990, als er hinter den schweren Maschinen Europameister wird. Unglücklicherweise ereilt auch ihn das Sturzpech. Eine schwere Schulterverletzung sorgt für das vorzeitige Ende der sportlichen Laufbahn des sympathischen Sportlers. Die Verbindung zu seinem Heimatverein hat Torsten Rellensmann jedoch nie beendet, denn noch heute ist er im RV Sturmvogel 1925 Dortmund e.V. zu Hause.
Noch zu einer Zeit als Torsten Rellensmann als Amateur von Erfolg zu Erfolg fährt, wächst in RV Sturmvogel 1925 Dortmund e.V. mit Holger Stach ein Schülerfahrer heran, der nach Anzahl der Deutschen Meistertitel der erfolgreichste Fahrer des Vereins wird. Siebenmal steht er im Laufe seiner kurzen Karriere ganz oben bei Deutschen Meisterschaften auf dem Treppchen und darf sich in der entsprechenden Disziplin "Deutschlands Bester" nennen. Zweifelsohne ragt er aus der Schüler- und Jugendmannschaft des RV Sturmvogel , die von Lars und Jörg Nowacki, Patrick Pougin, Kuno Brozek, Tim Kurpanek, Helge Nigel, Torsten Schwarz, Achim Dresselhaus, Thomas Hofeditz, Lars Rellensmann und eben Holger Stach gebildet wird, heraus. Es beginnt 1983, als dieser Holger Stach in der Schülerklasse B den Titel des Deutschen Meisters im Einzelzeitfahren auf der Straße holt, um dann gleich nach dem Wechsel in die Rennklasse der Schüler A 1985 wieder die Meisterehren in dieser Disziplin in Empfang zu nehmen. Anschließend legt Holger Stach sein Hauptaugenmerk auf die Bahn, wo er weitaus erfolgreicher wird.
Es ist das erste Jahr in der Jugendklasse B und es stehen die Deutschen Meisterschaften im pfälzischen Oberhausen an. Holger Stach tritt hier sowohl im 500-Meter-Zeitfahren als auch im 2000-Meter-Verfolgungsrennen an. Nach einem dritten Platz im Zeitfahren über die Kurzdistanz steht er gegen den heutigen Profi Andreas Walzer im Endlauf des Verfolgungsrennens. Es ist ein packendes Finale. Nach 1600 Metern führt Andreas Walzer mit einem deutlichen Vorsprung von 10 Metern. Von seinem Betreuer erhält Andreas Walzer den Zuruf:" Das hast du im Sack!" Aber auch Werner Siebert hat mit seinem Schützling eine taktische Marschroute ausgearbeitet und diese besagt unter anderem, daß der "Sturmvogel" auf den Zuruf " jetzt brennt der A....." (gemeint ist hier das menschliche Hinterteil) unbedingt das Letzte aus sich herausholen muß. Genau diesen Zuruf erhält Holger Stach in der rennentscheidenden Phase und durch einen fulminanten Endspurt kann er mit einem Vorsprung von zwei Metern den Finallauf noch für sich entscheiden.
Das zweite Jahr in der Jugendklasse B schließt Holger Stach noch erfolgreicher ab. Es sind wieder die Deutschen Bahnmeisterschaften, diesmal in Hannover ausgetragen, die den "Sturmvogel" in den Mittelpunkt rücken. Zunächst verteidigt er gegen Torsten Schmidt, ebenfalls heute Berufsradsportler, den Titel im 2000-Meter-Verfolgungsfahren. Gleichwohl möchte Holger Stach nun auch über die Kurzdistanz Deutscher Meister werden. Gerade bei diesem Wettbewerb kommt es zunächst zu einem Eklat. Favorit auf den Sieg im 500-Meter-Zeitfahren ist Axel Bokeloh und gerade ein Betreuer dieses Axel Bokoloh ist Starter des Konkurrenten vom RV Sturmvogel. Und wirklich, der Betreuer hält beim Start Holger Stach etwas fest. Der Lauf wird annuliert und der Betrüger von den weiteren Wettbewerben ausgeschlossen. Kurze Zeit später muß der "Sturmvogel" dann aber nochmals antreten. Er muß sich nach dem Skandal zunächst einmal beruhigen und anschließend neu motivieren wie auch neu konzentrieren. Trotz der widrigen Umstände schafft Holger Stach es dennoch, holt die Bestzeit und wird verdient neuer Deutscher Meister auch über die Kurzdistanz. Nicht zu vergessen - in beiden Disziplinen stellt der Fahrer des RV Sturmvogel 1925 Dortmund e.V. in Hannover einen neuen Bahnrekord auf. Nach dem Wechsel in die Jugendklasse A erringt Holger Stach zwei weitere Deutsche Meistertitel. Bei den Bahnmeisterschaften 1988 in Linkenheim wird er gemeinsam mit der Mannschaft des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen Sieger in der Vierer-Mannschaftsverfolgung und im 1000-Meter-Zeitfahren Vizemeister. 1989 ist es bei den in Solingen ausgetragenen Meisterschaften genau umgekehrt. Er wird über die 1000-Meter-Distanz Deutscher Meister und belegt mit der NRW-Mannschaft, zu der auch Lars Nowacki vom RV Sturmvogel gehört, den zweiten Platz. Gemeinsam mit seinem Vereinskameraden Lars Nowacki erkämpft sich Holger Stach bei den Titelkämpfen noch einen sehr guten vierten Platz im Zweier-Mannschaftsfahren. Auch der Bundestrainer der Jugendnationalmannschaft erkennt das große Potential von Holger Stach. Es ist nämlich höchst selten, daß ein Fahrer sowohl im Kurzzeitbereich als auch im Ausdauerbereich in der nationalen Spitze fährt. Deshalb wird der Athlet des RV Sturmvogel 1925 Dortmund e.V. in den Jahren 1988 und 1989 in den Kader zur Weltmeisterschaft berufen. Sowohl bei den Welttitelkämpfenl in Dänemark als auch in der Sowjetunion wird Holger Stach im 1000-Meter-Zeitfahren ausgezeichneter Fünfter. Eine irreparable Muskelverletzung im Schulterbereich zwingt ihn, wie schon Ralf Hofeditz und Torsten Rellensmann zuvor, seine sportliche Laufbahn zu beenden.
Die Breitensportler Heinz Pallenberg, Horst Weiland, Richard Baumann, Klaus Seyfried und Klaus Stachorra brechen 1981 zur Internationalen Drei-Pässe-Fahrt in die Schweiz auf. Bei der Tour über die fast 1500 Meter hohen Gipfelstraßen sind über 100 Kilometer zu bewältigen. Neben der schönen Landschaft in der Schweiz sind aber auch eiserne Burschen zu entdecken. Die schweizerische Armee hält nämlich im Rahmen dieser Touristikfahrt eine Übung ab und schickt einige Soldaten im vollen Kampfanzug und mit "Knobelbechern" auf die Strecke. Mit circa 20 Kilogramm schweren Rädern ohne Schaltung und mit Holzkisten als Packtaschen müssen sie die Pässefahrt bewältigen.
Ein ganz besonderer Höhepunkt wartet 1982 auf nahezu 10 Radtouristen des RV Sturmvogel. Aus Anlaß der 1100-Jahr-Feier der Stadt Dortmund gilt es mit weiteren Sportkameraden mit dem Fahrrad die Partnerstädte Amiens und Leeds anzufahren. Die organisierte Fahrt über genau 1100 Kilometer und zehn Etappen führt die Fahrer zunächst mit dem Bus nach Rotterdam, von wo sie mit der Fähre nach Hull übersetzen. Mit dem Fahrrad wird die erste Partnerstadt Leeds angesteuert. Nach den dortigen Feierlichkeiten geht es mit dem Rad zurück nach Brighton und per Fähre ins französische Dieppe. Hier wird wieder auf das Fahrrad umgesattelt und nach Amiens gefahren, wo die Touristiker von den Stadtoberen ebenfalls herzlich empfangen werden. Anschließend macht man sich zurück auf den Weg in die Heimatstadt Dortmund, wo die Fahrer während der Feierlichkeiten auf dem Alten Markt einfahren und in ihren roten Trikots mit der Aufschrift "So fast as Düörpm" eine Attraktion sind. Alle, die diese Tour bewältigt haben, können mit Recht von sich behaupten "so standhaft (fest) wie die Mauern von Dortmund" gewesen zu sein.
1983 wird von einer neunköpfigen Mannschaft des RV Sturmvogel 25 Dortmund Italien besucht. Neben vielen Trainingseinheiten stellen sich die Recken der über 240 Kilometer führenden Neun-Colli-Tour, ausgerichtet vom Verein"Fausto Coppi". Die Strecke führt über neun Berge, die zum Teil nur über Naturstraßen zu befahren sind. So manches Mal werden die "Sturmvögel" über durchdrehende Hinterräder geflucht haben. Eine kleinere Vereinsmannschaft, bestehend aus Joachim Rudolf, Richard Baumann und Wolfgang Fuest, stellen sich noch im gleichen Jahr der Ralley du Mont Blanc.
Anfang September des Jahres 1984 folgt dann ein Erlebnis besonderer Art, an das man sich noch heute immer wieder mit Freude erinnert. Acht Radtouristiker des RV Sturmvogel, nämlich Klaus Seyfried, Heinz Erbe, Karl-Heinz Krumm, Richard Baumann, Heinz Pallenberg, Horst Braun, Wolfgang Fuest und Joachim Rudolf, reisen ins französiche Bayonne, von wo aus sie zu einer 14-tägigen Fahrt durch das Hochgebirge der Pyrenäen und Alpen starten. Etappenorte auf dieser Tour sind unter anderem die Städte Pau, Andorra, Perpignan, St. Raphael und Albertville. Ein aufmerksamer Blick in die Landkarte zeigt, welche Paßstraßen die "Sturmvögel" bewältigen müssen, um die vorgenannten Städte zu erreichen. Selbst die Asse der Tour de France fürchten diese Bergstraßen, erfahren sie doch im Kampf mit den Steigungen und der oftmals großen Hitze schmerzlich ihre Leistungsgrenze. Für die Radtouristen also nicht unbedingt Aussicht auf eine gemütlöiche "Kaffeefahrt". Dennoch gehen die Kandidaten das Abenteuer an. Nacheinander werden die berüchtigten Pässe Aubisque, Tourmalet, Aspin, Peyresourde, Lautaret, Galibier, Telegraphe und Izoard erklommen. Neben den Bergen macht den Radfahrern insbesondere in den Pyrenäen die große Hitze zu schaffen. Temperaturen von über 40 Grad Celsius sind an der Tagesordnung und lassen sogar den Asphalt der Bergstraßen weich werden. Da auch kein Wind geht, hat man das Geführl in einem Backofen zu fahren. Es wundert daher auch nicht, daß die Radtouritiker viel Durst haben. Der Besitzer eines Getränkewagens auf dem Gipfel des Tourmalet kommt aber aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ihm wenige Radfahrer sämtliche in seinem Kühlschrank befindlichen Wasserflaschen abnehmen und noch an Ort und Stelle leeren. Freudig hat er dem "Trinkgelage" zugeschaut, kann er doch anschließend sein Fahrgeschäft schließen, da nach den Radfahrern weit mehr als die Tageseinnahme verbucht ist. Daß nach solch schweren Etappen die Körper der Etappenfahrer ausgezehrt sind und nur durch die Zufuhr einer großen Nahrungsmenge wieder in die Lage versetzt werden, eine weitere Bergetappe dielser Güte zu absolvieren, wird wohl auch für einen gewissen Restaurantbesitzer in dem kleinen Pyrenäenstaat Andorra verständlich sein. Was er aber im Sommer 1984 erlebt, als eine "Horde nimmersatter Radrennfahrer" in seinem Gasthaus Station macht, wird ihm den Glauben an ein existierendes Sättigungsgefühl genommen haben. Dessen Kalkulation nämlich, für die Bezahlung von umgerechnet 20,00 DM genug Speisen einkaufen zu können, um jedermann satt zu bekommen, haben die "Sturmvögel" ad absurdum geführt. Immer wieder stehen sie von ihrem Tisch auf und füllen sich die Teller am reichhaltigen Buffet. Daß der Geschäftsführer später jeden Buffetgang ungläubig und schon mit boshaftem Blick begleitet, stört die Radfahrer ebensowenig wie die Tatsache, daß man ihnen schon Teller und Besteck wegnimmt - man holt sich kurzerhand neues Geschirr und füllt dieses wieder mit den vorhandenen Köstlichkeiten auf. Ob der Wirt anschließend sein Gasthaus geschlossen hat ist nicht bekannt. Auf jeden Fall wird er aber seine Kalkulation überdacht , wenn nicht sogar weiteren Radrennfahrern Hausverbot erteilt haben.
Im Frühjahr des Jahres 1986 zieht es dann neun Radtouristen des RV Sturmvogel 25 Dortmund für 14 Tage nach Italien .Die Ausläufer des Apennin sind das Ziel von täglichen Ausfahrten und so werden auch die Gegenden um San Marino, Gateo Mare und den später durch einen gewissen Marco Pantani bekannt gewordenen Ort Cesenatico durchfahren.