So fängt alles an

Im Jahre 1925 beabsichtigten in Dortmund sieben junge, tatkräftige Männer in der Stadtmitte einen neuen Radsportverein zu gründen und so den schon existierenden Vereinen Radrennclub 08 und Vemlinde Konkurrenz zu machen. Am 1. Juni 1925 ist es dann soweit. Im Gasthaus „Trompete“ in der Kleinen Beurhausstraße in Dortmund finden sich die Radsportfreunde Hermann Bäckerling, Ernst Bültmann, Adolf Hunke, Paul Kahlweit, Heinrich Kühne, Walter Nick und Walter Trost zusammen und heben an diesem 2. Pfingsttag den Radsportverein Sturmvogel 1925 Dortmund aus der Taufe. Diese Gründungsväter können mit Paul Johannknecht gleich einen emsigen 1. Vorsitzenden ernennen, der den Vorsitz wie auch die Rennmannschaft, bestehend aus den sieben Gründungsmitgliedern und Otto Brust, führt.

1929 wird dann Artur Scheffler in die Funktion des 1. Vorsitzenden gewählt. Dieser zeichnet sich für den ersten Wechsel des Vereinslokals verantwortlich. Die „Südliche Sportzentrale“ auf dem Alten Mühlenweg in Dortmund soll von nun an für längere Zeit Treffpunkt der Mitglieder, deren Freunde und Ort der Zusammenkünfte des Vereins sein. Schon Anfang der dreißiger Jahre bildet sich eine Rennmannschaft, die sich mehrfach durch gute Leistungen auszeichnen kann. Zu dieser Zeit ist es insbesondere Hannes Schwenk, der wiederholt gerade aus bundesoffenen Radrennen als Sieger hervorgeht und so den RV Sturmvogel 1925 Dortmund erstmals über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt macht.

Willi Schulz-Dorak heißt im Jahre 1933 der neue Vorsitzende des RV Sturmvogel. Er ist es auch, der neben dem Radrennsport die Sparte des Radwandersports im Verein etabliert. Mit dem Breitensport geht gleichzeitig eine steigende Mitgliederzahl einher. Schon annähernd 100 Personen sind zu dieser Zeit Angehörige des städtischen Radsportvereins in Dortmund. Ergebnis des Engagements von Willi Schulz-Dorak ist der Reichssieg für den RV Sturmvogel 25 Dortmund in der Vereinswertung bei der Sternwanderfahrt nach Bonn. Die in dieser Zeit so aktiven Wanderfahrer sind vielseitig und nehmen mit unterschiedlichen Erfolgen auch an Wettbewerben des Radrennsports teil. Erich Rissmann ist es 1935 dann auch, der den ersten Titel für den RV Sturmvogel gewinnt. In der Bezirksmeisterschaft über zehn Kilometer ist der als Wanderfahrer beginnende Rennfahrer unschlagbar und darf sich zurecht die Siegerschleife umhängen.

1935 entwickelt sich in Dortmund noch etwas Besonderes. Ab diesem Jahr treffen sich einige Mitglieder des Vereines mit anderen in der Nähe des Brüderwegs beheimateten Radsportlern – darunter ein gewisser Erich Bautz – am Haus Kranefeld in der Moritzgasse. Grund für das Entstehen dieser vereinsübergreifenden Gemeinschaft, die sich den Namen Staubwolke gibt, ist die Liebe zum Radsport und der Wille zum Erfolg. Nach getaner Arbeit finden sich nahezu jeden Abend bis zu 20 junge Leute ein, um zu Fahrten, auch ins bergige Sauerland, aufzubrechen. Diese als Training gedachten Touren entwickeln sich schnell zu regelrechten Radrennen. Jeder will es seinen Kontrahenten zeigen. Insbesondere Erich Bautz fährt bei den Ausfahrten stets in vorderen Reihen und findet oft als Erster den Weg zurück zum Ausgangspunkt in der Moritzgasse. Über die abendlichen Touren von bis zu 180 Kilometern Länge holt sich dieser Bautz die Ausdauer, Kraft und Widerstandsfähig-keit, die ein Champion, der er später werden sollte, braucht.

1937 – zwei Jahre nach Entstehen der abendlichen Touren – erfährt Erich Bautz, inzwischen zu den Berufsfahrern gewechselt, den Lohn seiner harten Arbeit. Zunächst trägt er den Sieg in der Deutschen Straßenmeisterschaft davon und wird anschließend für die Tour de France nominiert. Auch hier kann Erich Bautz glänzen. Mit einer eindrucksvollen Leistung auf der 4. Etappe, die er im Alleingang für sich entscheidet, übernimmt er das so begehrte Gelbe Trikot. Fünf Tage führt der Dortmunder Radsportler die Gesamtwertung der Fahrt durch Frankreich an. Defekte und Pannen verhindern im weiteren Tourverlauf einen Sieg von Bautz und lassen ihn die Tour de France auf dem 9. Rang in der Gesamtwertung beenden. Noch Jahre später sind sich die Radsportexperten einig: Mit Erich Bautz hätte der erste Deutsche die Tour de France gewinnen können. Das Zeug dazu hat er auf jeden Fall gehabt. Nur die Wirren in Deutschland und der Ausbruch des 2. Weltkrieges verhindern diesen möglichen Triumph auch Jahre später noch. Der 9. Platz in der Gesamt-wertung der Tour de France wird in ganz Radsport-Deutschland und speziell in Dortmund gefeiert. Endlich hat ein Deutscher nach Kurt Stöpel 1932 das Gelbe Trikot und eine Top-Platzierung in Frankreich erobert. Viele Fans erwarten 1937 den Champion nach seiner Rückkehr in Dortmund. Der Sturmvogel-Vorsitzende Willi Schulz-Dorak ist es, der Erich Bautz einen Empfang bereitet, der in Dortmund bis dahin seines gleichen sucht. Angekommen am Dortmunder Hauptbahnhof führt die Triumphfahrt durch die Dortmunder Innenstadt zur „Südlichen Sportzentrale“ auf dem Alten Mühlenweg. Mit Flaggenschmuck und Begeisterungsrufen wird der Tour de France-Held am Vereinslokal des RV Sturmvogel in Empfang genommen. Erich Bautz genießt die Feierlichkeiten, in dessen Rahmen er zum Ehrenmitglied des RV Sturmvogel 25 Dortmund ernannt wird.
 
Bei der Bezirksmeisterschaft 1937 sorgt ein weiterer Vierer für Furore. Hier gewinnen Kulenberg, Krause, Jöster und Siekmann im Mannschaftszeitfahren über 100 km die Silbermedallie.

Sicherlich auch animiert durch die Leistungen von Erich Bautz kommt danach die Jugendmannschaft des RV Sturmvogel bestehend aus Walter Fell, Hans Peters, Fritz Piper und Hans Rosenthal zu einem der schönsten Erfolge im Jugendsport. Es ist 1938 und der RV Sturmvogel meldet seine Jugendlichen zu dem Mannschaftsrennen um den begehrten Silber-Pokal vom Rhein. Vom Start weg gestalten die vier in der rheinischen Radsportmetropole Köln-Kalk ein souveränes Rennen und halten sich strikt an die von ihren Betreuern errechnete Marschtabelle. Aber dann bringt ein Schaltungsschaden bei Hans Rosenthal den Vierer aus dem Tritt. Geistesgegen-wärtig springt Walter Fell sofort vom Rad und reißt seinem Kameraden die Schaltung ab. Ohne die Möglichkeit des Gangwechsels bei Hans Rosenthal wird nun die restliche Strecke zurückgelegt. Mit Spannung wartet man am Ziel auf den Einlauf und tatsächlich – die vier Jugendlichen des RV Sturmvogel 25 Dortmund schaffen trotz des Handicaps die Bestzeit und gewinnen den Silber-Pokal. Ein Jahr später steht die Verteidigung des Pokals auf dem Rennprogramm der „Sturmvögel“. Mit einer großen Fangemeinde macht man sich nach Köln-Kalk auf. Tatsächlich scheint es so, als soll der Silber-Pokal in den Reihen des RV Sturmvogel bleiben. Mit über einer Minute Vorsprung gehen Walter Fell, Hans Peters und Hans Rosenthal in die letzte Runde. Nachdem aber zuvor bereits Fritz Pieper einen Reifenschaden hatte und seine Mannschaftskameraden ziehen lassen musste, ereilt nun auch Hans Peters die Defekthexe. Eine Lenkerhälfte bricht ab. Ein Sturz kann zwar soeben verhindert werden, aber der Zeitverlust ist unvermeidbar. Mit einer großartigen kämpferischen Leistung können Walter Fell, Hans Peters und Hans Rosenthal dennoch etwas Vorsprung ins Ziel retten. Unter dem Jubel des gesamten Publikums fährt die Mannschaft des RV Sturmvogel als knapper aber verdienter Sieger ein und gewinnt auch 1939 den Silber-Pokal vom Rhein.
 
Dies soll für die nächste Zeit der letzte Erfolg für den RV Sturmvogel sein. Der 2. Weltkrieg bricht aus. Alle gesunden jungen Männer werden in die Wehrmacht berufen und müssen ihren Renndress mit dem Soldatenrock tauschen. An ein Vereinsleben ist nicht zu denken. Während der Kriegsjahre betreut der 1. Vorsitzende Otto Meier gemeinsam mit Paul Kahlweit und Willi Hagen die vereinzelt vom Kriegsdienst verschonten Vereinsmitglieder oder die auf Heimaturlaub in Dortmund befindlichen Sturmvögel.