Das "Millennium" naht

Im Mittelpunkt des Jahres 1990 steht die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands. Während deutsche Bürger die Wiedervereinigung feiern, freuen sich international viele Menschen auf Aufspaltungen ihrer Heimatländer. Im RV Sturmvogel 25 Dortmund aber sind die Erfolge nicht mehr so zahlreich wie in den Jahren zuvor. Lediglich Patrick Pougin ist ein aufstrebender Rennfahrer, der, wie Holger Stach vorher, seine größten Erfolge auf der Bahn einfährt. Als Mitglied der Auswahl des Landes Nordrhein-Westfalen feiert Patrick Pougin 1994 seinen größten Triumph und wird in der Vierermannschaftsverfolgung auf der Bahn Deutscher Jugendmeister. Daneben kann der Fahrer des RV Sturmvogel 25 Dortmund auch immer wieder in Straßenrennen gefallen und Siege sowie vordere Platzierungen erringen. Berufliche Gründe zwingen Patrick Pougin jedoch, trotz der guten Aussichten auch in der Amateuklasse Fuß zu fassen, das Fahrrad an den berühmten Nagel zu hängen.

In den letzten Jahren tritt aber wieder eine Amateurmannschaft des RV Sturmvogel in Erscheinung. Mit Jens Hinder, Lars Rellensmann, Wolfgang Köthe, Thorsten Katzorke, Thomas und Michael Koslowski, Uwe Sahm, Alexander Freese, Thomas Eckey, Markus Domhöfer, Franz Ruhose, Matthias Schulze, Michael Reising und Andreas Jung hat sich ein Team zusammengefunden, welches immer öfter Siege oder vordere Platzierungen erreicht. Mit Jens Hinder und Thorsten Katzorke sind im RV Sturmvogel 25 Dortmund auch wieder zwei Fahrer beheimatet, die der höchsten unbezahlten Rennklasse, der Eliteklasse A, angehören. Daneben finden sich auch mehrere Fahrer, die sich in der B-Klasse behaupten. Den "Coup" landet dabei Thorsten Katzorke, denn er gewinnt souverän sein "Heimrennen", den "Großen Ritter-Preis" und sorgt damit nicht nur für strahlende Gesichter bei den Organisatoren, sondern gleichzeitig auch für seinen schnellen Aufstieg. Herausragender Akteur dieser Gruppe ist gewiß Jens Hinder. Nicht nur, daß er es als erster Fahrer der Mannschaft in die A-Klasse geschafft hat, Jens Hinder darf sich sogar Weltmeister nennen. Als praktizierender Arzt hat er immer erfolgreich an den Titelkämpfen seines Berufsstandes - sei es national oder international - teilgenommen. Nach einer Glanzleistung im niederländischen Valkenburg in diesem Jahr trägt er nun zumindest für ein Jahr das Trikot mit den bedeutendsten Regenbogenstreifen. Aber auch in anderer Hinsicht macht Jens Hinder von sich reden. So hat er einige der Athleten, die bei den Olympischen Spielen in Sydney für Furore sorgen sollen, bei einem Trainingslager auf Mallorca begleitet und deren medizinische Betreuung sichergestellt. Daneben darf sich ein unbekannter Rennfahrer glücklich schätzen, daß Jens Hinder ebenfalls Radrennen fährt. In einem Wettbewerb nämlich, in dem auch der Arzt des RV Sturmvogel an den Start ging, stürzte dieser unbekannte Rennfahrer. Mit schweren Kopfverletzungen blieb er auf der Rennstrecke liegen. Hier griff sofort Jens Hinder ein. Er hielt im laufenden Wettbewerb unvermittelt an und stellte bis zum Eintreffen des Notarztes die medizinische Erstversorgung sicher. Daneben befindet sich im RV Sturmvogel 25 Dortmund wieder eine Jugendmannschaft im Aufbau. Christian Passenheim, Tobias Menzel und Jan Leube sind die aufstrebenden Athleten, die es ihren Vorgängern und zahlreichen Titelträgern nachmachen wollen.

Bei den Radtouristen des RV Sturmvogel 25 Dortmund steht in den neunziger Jahren wieder Frankreich im Mittelpunkt. Nach den schönen Erlebnissen des Jahres 1984 fahren im September des Jahres 1992 die sechs "Sturmvögel" Dieter Strumberg, Horst Braun, Wolfgang Fuest, Richard Baumann, Heinz Pallenberg und Karl-Heinz Krumm abermals nach Südfrankreich. Wieder geht es auf eine 14-tägige Etappenfahrt durch das dortige Hochgebirge und wieder werden so herrliche Städte wie Besancon, St. Etienne und San Remo besucht. Trotz der sich bietenden touristischen Attraktionen bleibt der Radsport die Hauptsache und so werden mit Einvernehmen aller Teilnehmer neue Bergstrecken erfahren. Die nunmehr höchste befahrbare Paßstraße Europas zum Col de la Bonette steht bei den Radtouristen zunächst auf dem Programm. Bis in 2802 Meter Höhe müssen die Radfahrer klettern, doch keinem ist die Fahrt zu viel. Die sagenhafte Aussicht unter dem Gipfelkreuz, die es erlaubt, bis nach Italien zu schauen, und der Stolz darauf, mit dem Fahrrad den Wolken ein großes Stück näher gekommen zu sein, entschädigt für die Strapazen während der Auffahrt. Aber es warten noch zwei weitere Highlights auf die Radtouristen im Trikot des RV Sturmvogel 25 Dortmund. Mont Ventoux und Alpe de Huez, zwei Bergstraßen also, die im Radsport immer für Geschichte gesorgt haben und bei deren Befahren Helden geboren sind, wollen von den Radtouristen bezwungen werden. Erinnert sei nur an Tom Simpson, der am knapp 2000 Meter hohen Teufelsberg den Tod fand oder an Jan Ullrich, der auf der Straße zum Vulkankegel der Provence Lance Armstrong und Marco Pantani ziehen lassen mußte. Es ist nicht allein die Steigung, die die Fahrer zermürbt, sondern auch diese trostlose Einöde, gebildet aus kahlem Gestein. Kein Baum, kein Strauch, nichts läßt die Hitze dort gedeihen. So äußerte der zweifache Tour de France Sieger Lance Armstrong respektvoll, daß der Mont Ventoux ein ganz besonderer Berg sei. Es sei eine Mondlandschft, bei der man das Gefühl habe, es gäbe keine Luft zu atmen. Und das legendäre Alp de Huez? Wem sind nicht die endlos wirkenden 21 Serpentinen zur Skistation bekannt? Wie viele großartige Sieger konnten neben Fausto Coppi, Bernard Hinault und Gianni Bugno hier triumphieren? Fehlt nicht jeder Tour de France etwas, wenn dieser Ort nicht auf dem Streckenplan verzeichnet ist? Ein Mythos also, den auch die "Sturmvögel" spüren wollen. Neben den vielen anderen Bergen bewältigen sie alle auch die Aufstiege zum Mont Ventoux und nach Alpe de Huez. Die bravourösen Leistungen und die während der gesamten Tour erfahrenen tollen Erlebnisse spornen zu weiteren Taten an.

Es soll aber erst noch das Jahr 1999 anbrechen, bis zum dritten Male eine schlagkräftige Mannschaft des RV Sturmvogel 25 Dortmund nach Südfrankreich aufbricht. Gregor Klemann, Stefan Hassel, Karl-Heinz und Stephan Moch, Manfred Hillenbach, Wolfgang Fuest, Dieter Strumberg, Karl-Heinz Krumm, Richard Baumann sowie Heinz Pallenberg sind es, die abermals die dortige Alpenregion mit dem Fahrrad befahren. Neu ist, daß man nicht mehr eine Etappenfahrt quer durch Frankreich absolviert, sondern sich in Barcelonnette am Fuße mehrerer Berge einquartiert. Von hier aus werden täglich die verschiedenen Höhenstraßen der Umgebung bewältigt, so auch wieder mit dem Col de la Bonette die höchste zu berahrende Paßstraße in Europa und unter anderem die aus der Tour bekannten Pässe Col de Vars (2108 Meter), Col de Allos (2240 Meter) und Col de Cayolle (2326 Meter).  Insgesamt bringt man es in den sieben Tagen auf 656 Kilometer und 11000 (richtig: elftausend) Höhenmeter. Neben den beiden Touren durch Frankreich tragen sich in den neunziger Jahren immer wieder einzelne Fahrer des RV Sturmvogel 25 Dortmund bei herausragenden Veranstaltungen in die Starterlisten ein. So hat als erster Fahrer des RV Sturmvogel Richard Baumann den sogenannten Super-Cup des Bund Deutscher Radfahrer gefahren. Hierbei handelt es sich um eine Serie von sieben Radmarathons im gesamten Bundesgebiet. Das Streckenprofil dieser Touren ist recht anspruchsvoll und weist bei den durchschnittlich 230 Kilometer langen Fahrten oftmals zwischen 2500 und 3000 Höhenmeter auf. Da in den nördlichen Bundesländern aber kaum Anhöhen vorzufinden sind, werden bei den dort stattfindenden Radmarathons die Streckenlängen auf annähernd 300 Kilometer verlängert. Nur wer nachweislich mindestens fünf dieser Marathons gefahren ist, kann eines der begehrten Super-Cup-Trikots in Empfang nehmen. Richard Baumann hat dies geschafft und darf ein Exemplar dieser limitierten Auflage sein Eigen nennen.

1998 nimmt Stefan Hassel in Norwegen an "Den Store Styrkeproven", einer Radfernfahrt vonTrondheim nach Oslo, teil. Es gilt 540 Kilometer zu bewältigen. Mit der Eisenbahn nicht einfach, mit dem Auto eine Strapaze, aber mit dem Fahrrad? Dennoch finden sich 5000 "verrückte" Radfahrer, darunter Stefan Hassel, in Trondheim ein, um das Abenteuer anzugehen. Wer nun glaubt, daß die Strecke im hohen Norden wenigstens flach ist, der hat sich auch hier getäuscht. Es gilt Berge mit bis zu 1000 Höhenmetern zu erklimmen. Aber das Schwierigste sind wohl die Witterungsbedingungen. Kälte, Regen, Schnee, starke Winde - mit allem muß bei dieser Fahrt gerechnet werden.  Gleichwohl, Stefan Hassel trotzt diesen Bedingungen und schafft ein einer Zeit von 23 Stunden und 11 Minuten diese Tortur. Wie stolz darf man auf sich sein, so etwas geschafft zu haben? Legt man alleine die Witterungsbedingungen zugrunde, so haben es die Teilnehmer der Fahrt von Mailand nach San Remo bei weitem einfacher. Immer wieder werden auch Touristiker des RV Sturmvogel 25 Dortmund von dieser an den Straßenklassiker der Profis angelehnten Fahrt angezogen. 290 Kilometer sind bei der "Primavera" zurückzulegen. Der Turchinopaß in einer Höhe von 532 Metern, der die lombardische Tiefebene mit der Mittelmeerregion verbindet, bildet hierbei oft die klimatische Grenze. Anschlißend führt die Strecke nämlich bis zum Ziel in San Remo an der warmen Mittelmeerküste, der sogenannten Blumenriviera, entlang. Der Tuchinopaß bleibt aber nicht die einzige Steigung, die es zu bezwingen gilt. Die verhältnismäßig kleinen "Hügel" 'Capo Mele, Capo Cervo und Capo Berta machen den Teilnehmern kurz vor dem Ziel nach der langen Distanz noch ordentlich zu schaffen. Die "Sturmvögel" Horst Braun, Wolfgang Fuest, Heinz Pallenberg, Richard Baumann, Stefan Hassel und Joachim Rudolf lassen sich in den Jahren hiervon aber nicht abschrecken. In der Schweiz vertritt mehrfach Heinz Pallenberg die Farben des RV Sturmvogel. Wer die örtliche Lage der Schweiz kennt, weiß um die Topographie des Landes. Wer nun den Namen der Veranstaltung verinnerlicht, kann auch die Schwere der Tour erahnen. Das "Alpen-Brevet" lockt die "Bergziege" öfter in das schweizerische Andermatt. Dies ist der Startort der Fahrt über die Pässe Furka, Nufenen, Lukmania und Oberalp, also jeweils zwei Alpenriesen mit einer Höhe von fast 2500 und 2000 Metern. Die Streckenlänge von mehr als 200 Kilometern lassen diesen Radmarathon zu einem der Schwersten überhaupt werden. Schön, daß trotz dieser beeindruckenden Zahlen mit Heinz Pallenberg auch ein Fahrer im Trikot des RV Sturmvogel 25 Dortmund an den Start geht.

Mehrmals zieht es Heinz Pallenberg und Karl-Heinz Krumm nach Italien, genauer in die Region um Bozen. Grund für die weite Anreise ist der Giro delle Dolomiti, eine Etappenfahrt quer über die Höhenzüge der Dolomiten. Tatsächlich gleicht diese Tour den Entscheidungsetappen der Profis beim Giro d´Italia - eine echte Herausforderung also. An insgesamt sieben Tagen werden so bedeutende Bergstraßen wie der Fedaiapaß (2307 Meter), Grödner Joch (2121 Meter), Sella Joch (2214), Penser Joch (2215 Meter), Pordoipaß (2239 Meter) und Stilfser Joch (2578 Meter) überwunden. Dies sind aber nur die Auffahrten über 2000 Meter Höhe. Viele Steigungen unter dieser Grenze, wie zum Beispiel der bekannte Passo Pellegrino mit 1700 Metern, müssen ebenfalls bewältigt werden. Dazu wird sogar noch ein Einzelzeitfahren veranstaltet. Und wie kann es anders sein, es wird als Bergzeitfahren ausgetragen. Von Bozen hinauf auf den Klobenstein sind auf der 13,9 Kilometer langen Strecke 857 Höhenmeter bei einer Steigung bis zu 11 Prozent zu erklettern.

Soll nun noch einer sagen, bei den Radtouristen handele es sich um einfache Breitensportler. Was hier geleistet wird ist schon mehr als beachtlich und mancher Rennfahrer könnte unter den Bezwingern vorgenannter Touren seinen Meister finden. Bleibt zu hoffen, daß im RV Sturmvogel 25 Dortmund stets solche "Matadoren" der Radtouristikszene ihre sportliche Heimat finden, denn Aushängeschilder sind auch sie allemal.